DIE BESTE IDEE

Drei Jahre in Folge arbeiteten die Freunde gemeinsam in der Nähe des Bodensees. Der eine inszenierte, der andere spielte in den ausgewählten Stücken.

Bis man sie, trotz der großen Erfolge bei Publikum und Presse, sehr unsanft vor die Tür setzte. Angeblich aus finanziellen Gründen. Tatsächlich aber waren die Gründe am Ende nur mehr im Menschlichen zu finden. Was dem Regisseur das Herz zerriss und den Schauspieler darin bestätigte, dass der Mensch an sich nicht gut ist.


Das zerrissene Herz muss man hier wörtlich nehmen. Herzklappenabriss. Dem eine schwere OP folgte und eine noch schwerere Depression während einer langen Rekonvaleszenz. Der Schauspieler übte sich im Schwierigsten, in Geduld, und stand dem Freund, wann immer der ihn in helleren Stunden bei sich haben wollte, an ihn und seine „Renaissance“ glaubend, zur Seite. Jede noch so kleine Besserung auf dem langen Weg durch die Finsternis ließ ihn schweigend jubilieren.


Drei Jahre später zeigte sich in der Nähe des Bodensees, dass die getroffene Entscheidung keine gewinnbringende geworden war. Und Einer von dort erinnerte sich der beiden Freunde. Auch wenn dessen Anliegen, die beiden möchten doch das künstlerische Loch vor Ort füllen, letztendlich im Nebel des schwäbischen Meers verschwand, so blieb beim Regisseur das neugeborene, unstillbare Verlangen wieder zu inszenieren und beim Schauspieler die wohltuende Bestätigung seines Glaubens am Strand ihrer Gefühle, in der aufgehenden Sonne, zurück.


Kein Wunder drehten sich nun heimlich ihre Gedanken um das Unausweichliche. Und Idee um Idee wurde geboren, um den in den Herzen bereits vollzogenen Neuanfang auch in die Tat umzusetzen. Doch weil man zunächst zu groß plante und Menschen nun mal Menschen sind, musste Idee um Idee wieder verworfen werden. Doch ließen sich die beiden Liebenden, das Objekt ihrer Begierde vor Augen, nicht entmutigen. Sie begannen personell kleiner zu denken und dafür im Künstlerischen größer. Alles sollte möglich sein. Und eine wiedergefundene Zärtlichkeit umfloss ihr Denken.


Bis die Freunde sich eines Abends über ein ihnen unbekanntes Theaterstück unterhielten, das auf einer Liste der Möglichkeiten stand, die der Schauspieler erstellt hatte. Und gleichwohl dann schon mitten in der Nacht, bestellte der Schauspieler, oh Segen des Internets, dieses Theaterstück zur Ansicht. Und, oh weiterer Segen des Internets, am folgenden Vormittag schon kam eine Email mit dem digitalisierten Stück. Weil der Schauspieler an diesem Tag aber unterrichtete, schickte er die Email einfach nur schnell und beinahe wortlos weiter an den Regisseur, ohne das Stück gelesen zu haben.


Am Abend, Ruhe suchend nach einem langen Tag, verfluchte der Schauspieler, gedankenlos, das sich aufdrängende Telefonklingeln. Schließlich nahm er doch ab. Und am anderen Ende der Leitung jubilierte sein Freund. Das Stück sei es. Und die zwei mitgeschickten Worte - „Zu kurz!“ - seien der richtige Katalysator gewesen. Idee um Idee sei emporgestiegen und ein komplettes Konzept für einen extrem unterhaltsamen und zugleich intelligenten Theaterabend läge im Hirn parat. Und nun, um das immer breiter werdende Grinsen am anderen Ende der Leitung wissend, wünsche er noch einen wundervollen Abend.


Noch immer, am nächsten Morgen, versuchte der Schauspieler dieses Grinsen aus seinem Gesicht zu bekommen. Sah irgendwie dämlich aus, auf Dauer. Aber es hatte recht, dieses Grinsen. Ja, sprach er in den Spiegel, grins du nur. Wirst schon sehen, was jetzt auf dich zukommt. Abspecken! Denn mit so vielen Kilos zu viel im Gesicht und über der Pumpe wird das nix. Und nun wasch dich, putz dir die Zähne, zieh dich an und geh mit deinem geliebten Vierbeiner Gassi. Und nimm endlich dieses dämlich Grinsen aus deinem Gesicht. Noch ist es nur die beste Idee seit drei Jahren.